Die Golden Girls der LG Reinhardswald

  24.07.2020    Kreis Hofgeismar Berichte
Interview: Janine Mackewitz, Tanja Schmitt und Lena Menzel über ihre Erfolge

Hofgeismar - Als 2003 die von Mustafa Hallal trainierten B-Schülerinnen die Silbermedaille im Hessenfinale erkämpften war das der Startschuss für eine der erfolgreichsten Phasen in der Geschichte der LG Reinhardswald. Lena Menzel, Nora Lehnebach, Hannah Schacht, Julia Woitkowiak, Alena Herrmann (alle TSG Hofgeismar), Janine Mackewitz (SV Espenau), Tanja Schmitt, Carina Müller (beide SV Trendelburg), Stephanie Nadler, Selina Grete (beide TSV Deisel) und Miriam Thöne (TSV Niedermeiser) zählten zur ersten von Hallal trainierten Athletengeneration.

Lena Menzel schaffte es bis zur Junioren-WM-Teilnahme und holte zwei Mal Silber bei Deutschen Jugendmeisterschaften. Janine Mackewitz gewann Bronze bei den Deutschen Juniorenmeisterschaften über 200 Meter. Tanja Schmitt (SV Trendelburg) sammelte 17 Hessische Meistertitel in Einzeldisziplinen und war an zwölf weiteren in Staffeln und Mannschaften beteiligt. Als Team wurden Schmitt, Mackewitz und Menzel Zweite bei den Deutschen Mehrkampfmeisterschaften.

Die „Golden Girls“ der LGR holten von 2002 bis 2013 fünf Medaillen bei Deutschen Meisterschaften, zwei Süddeutsche Meistertitel und 39 Goldmedaillen auf Landesebene (siehe Erfolge weiter unten). Sie setzten nordhessische Rekorde über 4x100 Meter (U18 und Frauen), 4x400 Meter (U20) und einen Hessenrekord in der 7-Kampf Mannschaftswertung (U18, inzwischen verbessert).

Die Dropoutquoten in der Leichtathletik sind im allgemeinen hoch. Umso bemerkenswerter ist es, dass diese hochtalentierte Gruppe zehn Jahre intakt blieb und sich gegenseitig zu Höchstleistungen trieb. Das Geheimnis des Erfolges waren Trainer und Team, darin sind sich Schmitt, Mackewitz und Menzel im Gespräch einig.

 

Welche Bedeutung hatte Mustafa Hallal für euch als Trainer?

 

Mackewitz: Ich habe zwölf Jahre lang bei Mustafa trainiert. Er war über Jahre so erfolgreich als Trainer und opfert bis heute seine Freizeit für die Leichtathletik. Dafür hat er meinen höchsten Respekt. Sein Humor ist ein Grund dafür, wieso man gerne ins Training gegangen ist. Auf andere Leute wirkten unsere albernen Minuten auf den Wettkämpfen sicher unprofessionell, aber der Erfolg hat uns Recht gegeben. Wir haben uns immer die Meinung gesagt und auch kleine Unstimmigkeiten gehabt, das halte ich für ganz normal. Bis heute bleibt Mustafa aber für mich die Person, die man nachts anrufen kann, wenn man mit einer Autopanne am Straßenrand steht.

 

Menzel: Die Zusammenarbeit war unvergleichlich zu anderen Trainern. Mustafa war selbst noch sehr jung und dadurch so nah an uns dran, dass er uns unheimlich gut motivieren konnte. Mustafa hat es gut hinbekommen die Brücke zu schlagen zwischen „Trainer“ und „Kumpel sein“. Er hat uns auch bei allem unterstützt was außerhalb des Sports lag. Das war für uns als Heranwachsende sehr wichtig, da wir durch Schule und anderes soziales Leben oft viel auf dem Teller hatten und Verständnis und Unterstützung zur Bewältigung brauchten. Für mich hatte er den größten Einfluss bei der Entwicklung zu einem eigenständigen, mündigen Athleten.

 

Schmitt: Er war immer ein Motivator schlechthin und hat uns nach Misserfolgen wieder aufgebaut. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit Mustafa zu trainieren. Er konnte aber auch manchmal streng sein. Mustafa hat immer an einen geglaubt. Letztendlich war es eher ein freundschaftliches Verhältnis als eine reine Trainer-Athletenbeziehung. Er hat ja auch viel mitbekommen und hat sich auch für das Private sehr interessiert.

 

Aus der Außensicht war bemerkenswert, dass zwar einzelne Athletinnen Topleistungen brachten, aber immer die Gruppe im Blickpunkt stand. Seht ihr das ähnlich?

 

Mackewitz: Ja, Schlüssel zum Erfolg war der Zusammenhalt in der Gruppe. Wir haben uns unheimlich gut verstanden und uns damals wie heute auch privat getroffen. Großes Konkurrenzdenken untereinander hatten wir nicht, wir haben uns eher gegenseitig motiviert. Es war so leichter das harte Training zu ertragen oder die langen Fahrten zu den Wettkämpfen spaßig zu gestalten.

 

Menzel: Unsere Gruppe hat hauptsächlich wegen Mustafa so gut funktioniert. Für ihn war es wichtig, dass jeder seinen Wert in der Gruppe kannte und wusste, dass er wichtig war. Selbst in Verletzungspausen wurden wir eingebunden. Selten gab es Einheiten, die man alleine absolvieren musste. Wir haben die Leichtathletik gar nicht als Individualsportart kennengelernt. Das Verhältnis untereinander war immer sehr eng, wir waren füreinander da und haben uns unterstützt. Für mich waren die sozialen Kontakte innerhalb der Trainingsgruppe die wichtigsten in meinem Leben und bis heute ist der Kern der Gruppe gut befreundet.

 

Schmitt: Das stimmt. Ehrlich gesagt habe ich am liebsten auch immer Staffelläufe und Mannschaftswettkämpfe gemacht, gar nicht so sehr die Einzeldisziplinen. Die Gruppe war einzigartig und wir hatten immer sehr viel Spaß. Wir haben uns ja auch drei bis fünf Mal in der Woche gesehen, deshalb war es besonders wichtig, dass man sich auch untereinander in der Trainingsgruppe gut verstanden hat. Ich kann mir aber vorstellen, dass es deswegen auch etwas schwierig für Neueinsteiger war - weil wir ein so eingeschweißtes Team waren.

 

Wie blickt ihr generell auf die Zeit als Leistungssportlerin zurück?

 

Mackewitz: Ich blicke gerne auf die Zeit zurück. Bis heute bleibt das schlechte Gewissen,wenn ich mal drei Tag am Stück keine Laufschuhe anhabe. Man hat allerdings deutlich mehr Freizeit. Es ist schön die Zeit heute für Freunde und Unternehmungen frei zu haben. Trotz allem würde ich es jederzeit wieder so machen. Das Training und der Sport machten einen zu der Person, die man heute ist. Man lernt mit Erfolg und Misserfolg umzugehen und seine Grenzen abzuschätzen.

 

Menzel: Der Sport hat sich auf jeden Fall positiv auf meine Persönlichkeitsentwicklung ausgewirkt. Sport hatte für mich immer den höchsten emotionalen Stellenwert im Leben, was es nicht immer einfach gemacht hat. Aber ich bin heute stolz auf den Menschen, den das aus mir gemacht hat. Leistungssport ist hart, nicht nur körperlich, sondern vor allem mental. Das was ich auf diesem Weg gelernt habe, die Erfahrungen die ich sammeln durfte und die Grenzen, die ausgetestet wurden haben mir unheimlich viel auch für das „andere“ Leben neben dem Sport mitgegeben.

 

Schmitt: Generell war die Zeit als Leistungssportlerin eine wunderschöne und lehrreiche Zeit, die ich niemals missen möchte. Natürlich hat man auf viel verzichtet und vielleicht nicht so viel Zeit in andere Dinge investiert, wie andere Jugendliche in dem Alter, die keinen Leistungssport machen. Aber wie ich in meinem Beruf als Polizistin sehe, ist es wichtig, dass gerade Kinder und Jugendliche feste Strukturen haben. Besonders habe ich gelernt, dass auch ein Misserfolg nicht schlimm ist und man daran wächst. Für mich war es immer wichtig zu erfahren, dass ich meine eigenen Ziele erreichen kann und nicht, ob ich nun an erster, zweiter oder dritter Stelle stehe.

 

Zur Person – Janine Mackewitz

Janine Mackewitz (28) wurde in Hofgeismar geboren und ist in Calden aufgewachsen. Nach dem Abitur an der Albert-Schweitzer-Schule Hofgeismar absolvierte sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin an der Dr. Rohrbach Schule in Kassel. Sie arbeitet als Physiotherapeutin bei Rehamed in Kassel. Mackewitz lebt in Kassel, ist ledig und hat keine Kinder.

Zur Person – Lena Menzel

Lena Menzel (28) wurde in Mainz geboren und ist dort bis zu ihrem zwölften Lebensjahr aufgewachsen. 2003 zog sie nach Grebenstein. Ihr Abitur machte sie an der Albert-Schweitzer-Schule Hofgeismar. Das Lehramtsstudium in Köln, Siegen und Wuppertal schloss sie 2020 mit dem Master of Education an der Bergischen Universität in Wuppertal ab. Zur Zeit ist sie Lehramtsanwärterin für die Fächer Mathematik und Sport an einem Gymnasium in Leverkusen, das auch Eliteschule des Sports ist. Menzel lebt in Leverkusen, ist fest vergeben und hat keine Kinder.

Zur Person – Tanja Schmitt

Tanja Schmitt (30) wurde in Hofgeismar geboren und ist in Trendelburg aufgewachsen. Nach dem Abitur an der Albert-Schweitzer-Schule Hofgeismar erwarb sie 2012 an der Universität Bremen den Bachelor of Arts in Risiko- und Sicherheitsmanagement. Nach einem Jahr bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Hamburg sattelte sie um und ging zur Polizei Schleswig-Holstein. Nach Abschluss des Studiums an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz ist sie seit 2016 Kriminalkommissarin. Schmitt lebt in Kiel, ist fest vergeben und hat keine Kinder.

Zur Person – Mustafa Hallal

Mustafa Hallal (41) wurde im Libanon geboren und ist in Hofgeismar aufgewachsen. Nach dem Hauptschulabschluss an der Gustav-Heinemann-Schule Hofgeismar machte er eine Lehre zum KFZ-Mechaniker. Es folgte die Weiterbildung zum Industriemeister. Hallal arbeitet bei der Daimler Trucks AG in Kassel. Er lebt in Hofgeismar, ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Selbst erfolgreicher Athlet (Hessenmeister Zehnkampfmannschaft), machte er 2000 unter Anleitung von Rudi Steinbrecher seine ersten Schritte als Leichtathletiktrainer. 2002 erwarb er den C-Trainerschein, ab 2003 leitete er den E-Kaderstützpunkt in Hofgeismar. 2005 folgte die B-Lizenz. Neben den „Golden Girls“ zählen auch der Deutsche Vizemeister von 2007, Wurie Bah und die aktuellen Topläufer Bastian Mrochen und Simon Schneider zu seinen Schützlingen.

 

Erfolge der „Golden Girls“ von 2002-2013

U20-Weltmeisterschaften 2010

4x400m: 7. DLV mit Lena Menzel, 3:40,29 Minuten

Länderkampf Polen-Deutschland 2008

Menzel: 3. 400m, 57,03 Sekunden

Deutsche Meisterschaften

2004

Tanja Schmitt: 4.Sprintmehrkampf 2739 Punkte

2005

Schmitt: 4. Siebenkampf 3815 Punkte

Siebenkampf-Mannschaft: 4. Schmitt, Janine Mackewitz, Carina Müller,10696 Punkte

2006

Menzel: 2. Laufmehrkampf 2701 Punkte

2007

Siebenkampf-Mannschaft: 2. Schmitt, Menzel, Mackewitz, 13309 Punkte (bis 2015 Hessenrekord)

Schmitt: 5. Siebenkampf, 4641 Punkte

4x100m: 6. Schmitt, Menzel, Mackewitz, Nora Lehnebach,48,46 Sekunden

2008

Menzel: 2. 400m 55,53 Sekunden, 5. 400m (Halle) 56,90 Sekunden

4x400m 8. Mackewitz, Lehnebach, Alena Herrmann, Menzel, 4:00,80 Minuten

Siebenkampf-Mannschaft: 4. Schmitt, Mackewitz, Lehnebach, 12835 Punkte

Schmitt: 8. Fünfkampf (Halle), 3103 Punkte

2010

Menzel: 3. 400m 55,25 Sekunden

2013

Mackewitz: 3. 200m (U23) 24,35 Sekunden, 7. 200m 24,31 Sekunden

 

Süddeutsche Meisterschaften

2007

4x100m: 1. Schmitt, Menzel, Mackewitz, Lehnebach, 48,21 Sekunden (aktueller Nordessenrekord der U18)

2008

Menzel: 1. 800m 2:13,82 Minuten, 2. 800m (Halle) 2:16,27 Minuten

2013

Mackewitz: 2. 200m 24,12 Sekunden, 3. 200m (Halle) 25,24 Sekunden

4x100m: 3. Theresa Schacht, Lehnebach, Vanessa Grimm, Mackewitz, 47,41 Sekunden

 

Hessische Meistertitel

2002:

Blockmehrkampfmannschaft: Schmitt, Saskia Träger, Miriam Thöne, Corinna Flak, Janina Kuck, 11074 Punkte

2004:

Schmitt: 60m (Halle) 8,12 Sekunden, 100m 12,62 Sekunden, Weitsprung 5,22 Meter, Siebenkampf 3579 Punkte, Blockmehrkampf Sprint/Sprung 2676 Punkte

Siebenkampf-Mannschaft: Schmitt, Thöne, Müller, 10186 Punkte

2005

Schmitt: 60m (Halle) 7,86 Sekunden, 100m 12,49 Sekunden, 60m Hürden (Halle) 9,26 Sekunden, Hochsprung 1,69 Meter, Weitsprung 5,32 Meter, Siebenkampf 3699

4x100m Staffel (Halle): Schmitt, Müller, Hannah Schacht, Selina Grete, 51,30 Sekunden

4x100m Staffel: Schmitt, Müller, Mackewitz, Schacht, 49,95 Sekunden

Siebenkampf-Mannschaft: Schmitt, Mackewitz, Müller, 10361 Punkte

Blockmehrkampf-Mannschaft: Schmitt, Mackewitz, Schacht, Menzel, Stephanie Nadler, 12497 Punkte

2006

Schmitt: 60m (Halle) 7,77 Sekunden

Menzel: 800m (Halle) 2:27,81 Minuten, 800m 2:18,14 Minuten

Siebenkampf-Mannschaft: Schmitt, Müller, Miriam Thöne, 11126 Punkte

2007

Mackewitz: 200m (Halle) 26,22 Sekunden

4x100m: Schmitt, Menzel, Mackewitz, Lehnebach, 48,52 Sekunden

Schmitt: Vierkampf 2771 Punkte, Siebenkampf 4435 Punkte

Siebenkampf-Mannschaft: Schmitt, Menzel, Mackewitz, 12835 Punkte

2008

Menzel: 400m 56,24 Sekunden, 800m 2:15,26 Minuten

4x100m: Schmitt, Menzel, Mackewitz, Lehnebach, 48,53 Sekunden

4x400m: Mackewitz, Lehnebach, Herrmann, Menzel, 4:00,48 Minuten

Schmitt: Vierkampf 2681 Punkte, Siebenkampf 4437 Punkte

Siebenkampf-Mannschaft: Schmitt, Mackewitz, Lehnebach, 12273 Punkte

2009

Menzel: 800m (Halle) 2:15,70

4x100m: Schmitt, Menzel, Malin Brietzke, Lehnebach, 49,30 Sekunden

Schmitt: Vierkampf 2643 Punkte

2010

4x400m: Lehnebach, Julia Woitkowiak, Mackewitz, Menzel, 3:58,92 Minuten

2013

Mackewitz: 100m 12,33 Sekunden, 200m 24,15 Sekunden

 

 

 

erstellt von Alexander Humme