Mrochen kehrt mit Bronze aus Tallinn zurück

  19.07.2021    Kreis Hofgeismar Anzeige Region Nord Presse
Für Liebenauer 5000-Meter-Läufer lohnt sich der Flug zur U20-Europameisterschaft in die estnische Hauptstadt

Tallinn Am Freitag um 18.10 Uhr ging ein kollektiver Freudenschrei durch die gebannt am Livestream von den U20-Europameisterschaften in Tallinn hängende Hofgeismarer Leichtathletikgemeinde. Gerade hatte Bastian Mrochen (LG Reinhardswald/TSG Hofgeismar) jubelnd die Arme in die Luft geworfen als er die Ziellinie als Dritter des 5000-Meter-Rennens überquert hatte.

Der ein oder andere hatte mindestens eine Augenbraue zweifelnd nach oben gezogen, als der 19-Jährige Liebenauer im letzten HNA-Vorbericht vor der Meisterschaft am Donnerstag von einer Medaille gesprochen hatte, wenn auch nur als Traumziel. Immerhin war er nur Achter der Meldeliste, fast 20 Sekunden vom Podest entfernt. Doch Mrochen wusste, dass er in den letzten Wochen gut trainiert hatte und ließ den Worten Taten folgen. In einem taktisch wieder meisterlich geführten Rennen holte er sich in 14:34,04 Minuten sensationell die Bronzemedaille.

23 Langstreckler standen um 17.55 Uhr an der Startlinie. Bei 28 Grad im Stadion war schnell klar, dass sich kein Läufer finden würde, der Tempo macht. In gemächlichen 2:57 Minuten bummelte das Feld angeführt vom Israeli Dego Abebe durch den ersten Kilometer. Mrochen hielt sich im Pulk zwischen Rang sieben und 13. Der zweite Kilometer wurde mit 3:07 Minuten noch langsamer. Das Feld schob sich immer dichter zusammen, Mrochen musste mehrmals den Arm ausfahren, um sich Platz zu verschaffen und dem jeweiligen Vordermann nicht auf die Hacken zu treten, wurde auch etwas abgedrängt bis auf Rang 15. Das gleiche Bild bot sich auf Kilometer drei. Teilweise bis auf Bahn drei nebeneinander waren die Läufer dichtgedrängt. „Da habe ich Blut und Wasser geschwitzt“, sagte Heimtrainer Mustafa Hallal (TSG Hofgeismar) nach dem Rennen. „In solchen Situationen ist ganz schnell ein Sturz passiert, oder man verpasst den Anschluss, wenn es vorne abgeht.“ Mrochen aber war immer voll auf der Höhe der Rennsituation. Als der Israeli auf dem vierten Kilometer deutlich beschleunigte ging er sofort mit. 1200 Meter vor dem Ziel verschärfte der spätere Sieger Joel Lillesö (Dänemark) erneut das Tempo und es schien einen kleinen Moment als würde eine Lücke aufgehen, die Mrochen aber mit einem energischen Zwischenspurt schloss. Auf dem Schlusskilometer konnte er seine Stärken dann voll ausspielen. Bis 600 Meter vor dem Ziel hielt er sich am Ende der achtköpfigern Spitzengruppe, um dann wie schon bei den Deutschen U23-Meisterschaften den Turbo zu zünden. In 32, 31 und 30 Sekunden absolvierte er die letzten drei 200-Meter-Abschnitte und flog förmlich an den vor ihm liegenden Konkurrenten vorbei. Vier Läufer hatte er bis 100 Meter vor dem Ziel überholt und ging gleichauf mit dem aufgerückten zweiten Israeli Derba Ayale auf die Zielgerade. Aber auch der hatte keine Chance gegen den wie entfesselt laufenden Mrochen.

„Das hat so viel Spaß gemacht zuzuschauen. Vor allem weil er so entspannt gelaufen ist und von Schritt zu Schritt schneller wurde ohne zu verkrampfen“, zeigte sich Hallal begeistert. Wäre das Rennen noch 20 Meter länger gewesen, hätte Mrochen vielleicht sogar noch den zweitplatzierten Spanier David Cantero erreicht. Aber auch so war er hochzufrieden mit dem Medaillenerfolg.

„Das war unglaublich“, sagte er gegenüber dem Internetportal leichtathletik.de. „Die Medaille bedeutet mir unheimlich viel, noch vor einem Jahr hätte ich das niemals erwartet. Jetzt hatte ich mir im Finale eine solide Platzierung vorgenommen, mit der Medaille bin ich umso glücklicher.“

Mrochen gelang damit auch der größte internationale Erfolg in der Geschichte der LG Reinhardswald. Bisher beste Platzierung war Lena Menzels siebter Rang mit der deutschen 4x400-Meter-Staffel bei den Junioren-Weltmeisterschaften 2010. Für Mrochen heißt es jetzt erst einmal ausgiebig feiern. Einen weiteren Angriff auf die U20-WM-Norm wird er nicht unternehmen. „Ich mache jetzt zwei Wochen Pause und bereite mich dann langfristig auf die Crosssaison in den USA vor“.

 

erstellt von Alexander Humme