Mit dem Speer zu Landestiteln

  22.01.2021    Kreis Hofgeismar Presse
Cynthia Geißler, erfolgreiche Leichtathletin und Handballerin

Trendelburg/Berlin - Mit Cynthia Geißler rückte 15 Jahre nach den Glanzzeiten Marion Horeys (wir berichteten) wieder eine Speerwerferin der LG Reinhardswald in den Blickpunkt. Unter ihrem Mädchennamen Träger gelang es der Athletin des SV Trendelburg sogar die Leistungen ihrer Vorgängerin in den Schatten zu stellen. Neben fünf Hessischen Meistertiteln stehen auch ein Hessenrekord und der Sechste Platz bei den Deutschen U18-Meisterschaften in ihrer Erfolgsbilanz.

„Meine Eltern waren der Meinung, dass ich mich ein bisschen mehr austoben sollte“, erklärt Geißler mit einem Augenzwinkern die Motivation für die ersten Trainingseinheiten. Die fanden unter Anleitung von Werner Fehling beim SV Trendelburg statt. „Er hat meine sportliche Seite entdeckt und erste leichtathletische Trainingsinhalte über das Kinderturnen hinaus mit mir absolviert. Das Werfen hat mir schon als Kind am meisten gelegen. Wahrscheinlich, weil unser Vater mit mir und meiner Schwester Saskia immer „Handball“ gespielt hat. Er stellte sich in den Türrahmen und wir mussten dann den Ball ins „Tor“ werfen.“

Geißler wurde auch von den Trainern anderer Sportarten umworben. „Meine Sportlehrerin Renate Paterek hätte es gerne gesehen, dass ich fest in ihrem Verein Fußball spiele. Meine Eltern legten mir eine andere Sportart nah. So kam ich zum Handball bei der HSG Reinhardswald. Dieser Sportart bin ich bis heute verfallen.“

Fehling fiel Geißler zunächst weniger durch besondere Leistungen, aber durch ihr Verhalten auf: „Sie war immer gut gelaunt, hat sich alles zugetraut und ausprobiert.“ Erste Erfolge hatte sie in der U8 und U10 bei Kreismeisterschaften folgerichtig im Mehrkampf. In der W12 gewann sie ihren ersten Bezirksmeistertitel im Vierkampf. „Dennoch sagte sie über längere Zeit, sie habe keine Lust mehr auf Leichtathletik. Pferde als weiteres Hobby hatten Priorität“, berichtet Fehling. Mit vereinten Kräften gelang es aber Trainer und Eltern Geißler bei der Leichtathletik zu halten. „Herr Fehling hat mir dann den Wechsel zu Joachim Plinke am Trainingsstützpunkt der LGR in Hofgeismar empfohlen. Hier konnte ich mich professioneller auf Wettkämpfe vorbereiten, auch weil die Bedingungen mit Tartanbahn, Kraftraum und Trainingsequipment besser waren.“ Geißler ist voll des Lobes über ihren ehemaligen Trainer. „Joachim ist ein sehr empathischer und humorvoller Trainer, der immer gewusst hat, wie er mich zu maximalen Erfolgen bringen kann. Seine ehrlichen und offenen Worte habe ich sehr geschätzt. Im Nachhinein betrachtet ist auch unglaublich, wie viel Zeit er in mich investiert hat.“

Unter Plinke ging es mit großen Schritten voran. 1998 gewann Geißler die Hessische Meisterschaft im Blockmehrkampf Lauf der Jugend W13. „Und das obwohl Laufen eher nicht so mein Ding war.“ Als stärkste Disziplin erwies sich der Ballweitwurf mit 55 Metern Bestweite. Da lag es nahe, 1999 im Trainingslager in Rimini erste Versuche im Speerwurf zu unternehmen. „Die erste Einheit am Strand werde ich nie vergessen. Das war mehr Speer stecken als Speer werfen und nach eineinhalb Stunden habe ich mich wirklich gefragt, ob ich das jemals hinbekomme“. Auch Plinke kann sich noch gut an diese Einheit erinnern: „Sie hat es tatsächlich fertig gebracht, dass sich der Speer in der Luft überschlägt. Dann allerdings ging alles sehr schnell. Schon beim nächsten Training hatte sie den Dreh raus.“

Gute Speerwurfleistungen waren Grundlage für die hessische Vizemeisterschaft im Siebenkampf und Platz neun bei den Deutschen Schülermehrkampfmeisterschaften.

Im folgenden Winter wurde das Training weiter intensiviert und 2000 wurde Geißlers bestes Jahr. Sie gewann die Hessischen Meistertitel im Kugelstoß der W15 sowie im Speerwurf der U18 und der W15. Höhepunkt waren die Deutschen U18-Meisterschaften in Dresden als jüngste Teilnehmerin im Feld. „Ich hatte mich nach dem Einwerfen mit Joachim auf einen verkürzte Anlauf geeinigt, weil ich technisch den Wurf sonst etwas verriss. Gefühlt hatten alle anderen Mädchen irrsinnige Weiten drauf, beeindruckten mit langen Anläufen und technischer Perfektion. Da war es mir fast schon peinlich, als ich zu meiner Markierung ging, um mit fünf Schritten Anlauf zu starten. Aber gleich im ersten Versuch habe ich 43,57 Meter rausgehauen, damit hatte keiner gerechnet, auch ich nicht“. Die Weite brachte ihr Platz sechs und stand zehn Jahre als Hessenrekord der W15.

2001 verteidigte sie ihren Hessenmeistertitel und holte 2003 noch einmal die Vizemeisterschaft. Zu der Zeit machten sich aber auch vermehrt Rückenbeschwerden bemerkbar. „Ich hätte präventiv mehr tun können. Mehr Stabilisation für den Körper, Schwachstellen besser trainieren“, sagt Geißler heute. 2005 hatte sie das letzte Mal den Speer in der Hand und sichert sich noch einmal die Kreismeisterschaft. „Meine Leichtathletikkarriere habe ich mit dem Umzug nach Berlin an den Nagel gehängt und mich auf Ausbildung und Studium konzentriert. Als Ausgleich habe ich nebenher noch ein wenig Handball als Freizeitsport gespielt.“ Das änderte sich mit der Gründung der Handballabteilung bei Pfeffersport Berlin. „Da habe ich eine kleine „Profikarriere“ gestartet. Wir haben uns von der Kreisklasse bis zur Berliner Meisterschaft 2018 vorgekämpft.“

Hier spielte Geißler zusammen mit Schwester Saskia, die 2002 Hessische Mannschaftsmeisterin im Mehrkampf war und 2003 bei den Deutschen Schülermeisterschaften startete. „Ich habe mich nach zwei Jahren Oberliga Ostsee Spree dann wieder für die Freizeitsportvariante entschieden, Saskia ist hingegen 2020 mit Pfeffersport in die dritte Bundesliga aufgestiegen“.

 

Zur Person: Cynthia Geißler (35, geborene Träger) kam in Karlshafen zur Welt und ist in Trendelburg-Stammen aufgewachsen. Sie ist verheiratet mit Robert Geißler. Nach dem Abitur an der Albert-Schweitzer-Schule Hofgeismar zog sie nach Berlin und absolvierte ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre verbunden mit der Ausbildung zur Touristik-Assistentin. Geißler arbeitete in verschiedenen Führungsposition bei den Scandic Hotels in Berlin. Nach sieben Jahren verließ sie die Hotelbranche und erfüllte sich mit der Gründung einer Marktschwärmerei in Berlin-Kreuzberg einen Herzenswunsch. Das Startup vermarktet regionale Lebensmittel in Berlin. „Das ist für mich die optimale Möglichkeit Stadt- und Landherz zu vereinen“, sagt Geißler.

 

Erfolge Cynthia Geißler

Deutsche Meisterschaften

1999: 9. Siebenkampf 3425 Punkte
2000: 6. Speerwurf 43,57 Meter, 16. Siebenkampf 3609 Punkte
2001: 10. Speerwurf 41,29 Meter

Süddeutsche Meisterschaften

2000: 2. Speerwurf 41,19 Meter

Hessische Meisterschaften

1998: 1. Blockmehrkampf Lauf 2504 Punkte
1999: 3. 60mH (Halle) 9,77 Sekunden, 2. Siebenkampf 3433 Punkte
2000: 1. Speerwurf (WU18) 41,35 Meter, 1. Kugelstoß Halle (W15) 12,28 Meter, 1. Speerwurf (W15) 41,30 Meter, 2. Siebenkampf 3662 Punkte
2001: 3. Speerwurf (Winter) 37,50 Meter, 1. Speerwurf 42,27 Meter
2003: 2. Speerwurf 41,17 Meter

 

Ewige Bestenliste HLV-Kreis Hofgeismar
(s. auch https://hofgeismar.hlv.de/fileadmin/kreise/hofgeismar/Extras/Rekordlisten/EwigeBestenliste.pdf)

Speerwurf (neuer Speer*)

43,57 Meter Cynthia Träger (W15, 14. Juli 2000)
42,46 Meter Vanessa Grimm (W19, 10. Juli 2016)
38,24 Tanja Schmitt (W18, 30. August 2008)
34,66 Janine Mackewitz (W17, 30. August 2008)
32,99 Eva Nies (W17, 19. März 2017)
31,37 Miriam Thöne (W15, 18. Juli 2004)
30,67 Saskia Träger (W14, 13. Juli 2003)
30,55 Nadja Strege (W15, 21. September 2011)
30,06 Susanne Beckmann (W18, 14. Juni 2000)
30,05 Andrea Heller (Frauen, 16. Oktober 2006)

*Der aktuell verwendete 600-Gramm-Speer wurde 1999 eingeführt. Durch einen nach vorn verlagerten Schwerpunkt fliegt er etwas weniger weit als das alte Gerät. Mit diesem hatte Marion Horey 1983 43,94 Meter erzielt.

 

 

erstellt von Alexander Humme